2019
Das Azoren Hoch
Die Wettervorhersage: „für die kommenden Tage erwarten wir ein Azoren-Hoch das milde, atlantische Luftmassen nach Europa bringt“. Wer dem Ursprung dieser Hochdruck-Gebiete immer mal auf den Grund gehen wollte, kann dies in nur zwei Flugstunden ab Lissabon tun. Und wer bisher noch nicht wusste, dass man auch innerhalb Europas Grossfisch sehen kann, darf sich auf den Azoren überraschen lassen. Das taten wir.
Als Ausgangspunkt unserer Azorenreise hatten wir uns für eine Tauchsafari mit dem Segel-Katamaran „Saildive“ entschieden. Denn um zu den Princess Alice Banks zu gelangen, braucht man allein von Horta aus, je nach Geschwindigkeit des Schiffs, 5-6 Stunden. Um diesen Spot allerdings für sich allein zu haben, muss man über Nacht dort bleiben, was eben nur mit einem Safari Boot geht.
Doch erst einmal sahen wir uns die Insel Faial an, um auch an Land ein paar Eindrücke zu sammeln. Dies geht am besten mit dem Mietwagen, um auch an nicht so populäre Orte zu gelangen. Wilde Natur, die sich auch gerne die Hinterlassenschaften der Menschen zurück erobert, prägt das Inselbild. Von Erdbeben zerstörte Kirchen oder Leuchttürme sind nur ein Beispiel. Denn was die Insel prägt, ist der Vulkan mit seiner Caldeira, denn die Azoren-Inseln sind alle vulkanischen Ursprungs, und immer wieder kommt es zu Beben oder auch kleineren Eruptionen. Diese können auch durchaus mal die Insel erweitern, so geschehen 1957, als der „Vulcão dos Capelinhos“ zu entstehen begann. Erst als kleine, vorgelagerte Insel im Nordwesten der Insel Faial, wuchs er schließlich mit der Hauptinsel zusammen und bildet nun für viele Seevögeln einen Brutplatz. Den alten Leuchtturm, der dem inzwischen zur Hälfte wieder im Meer versunkenen Vulkan vorgelagert ist, sollte man auf keinen Fall verpassen einen Besuch abzustatten. Besonders am Abend, wenn die Sonne hinter dem Vulcão dos Capelinhos versinkt, ist es ein mystischer Ort. Das offene Meer, die Seevögel und kaum Lichter der Zivilisation lassen einen hier in die Ferne träumen.
Die Insel fasziniert sehr, nach ein paar Tagen hat man dann aber doch das meiste erkundet und freut sich, endlich an Bord des Saildive Katamarans gehen zu dürfen. Und nach dem obligatorischen Checkdive, bei dem einem schnell an Hand der Wassertemperaturen bewußt wurde, dass es sich bei den Azoren nicht um ein tropisches Tauchrevier handelt, durften wir uns das erste Mal an Rita’s Kochkünsten ergötzen und erwärmen. Die so gut waren, dass wir ihr bald den Spitznamen „CaloRita“ gaben. Kalorien wurden nämlich reichlich verbrannt bei neunzehn Grad Wassertemperatur, die irgendwann durch jeden 7mm Tauchanzug durchgehen. Ritas Kochkünste ließen das aber schnell vergessen, auch, dass auf dem nagelneuen und hochmodernen Schiff noch nicht alles ganz rund lief mit Ausrüstung und Crew. Aber dafür sah das Schiff eben immer noch so aus, als hätte es gerade erst die Werft verlassen. Gut Ding braucht halt manchmal ein bisschen Weile.
Um so faszinierter waren wir alle, wie leichthändig Paulo mit dem Katamaran um die Felsen vor Pico’s Küste herum segelte. Ab und an musste ihm Sam oder später Marianna mal zur Hand gehen, aber im Prinzip lässt sich der Hightech Katamaran fast alleine segeln. Und das Segeln macht Spaß, besonders wenn es an der wilden, faszinierenden Küste der Azoreninseln entlang geht. Kein Motorgeräusch, kein Gestank vom Schiffsdiesel, herrlich. Wind, Wellen, dazu passende Musik, so erlebten wir nicht nur den ersten Tag, sondern immer wieder unvergessliche Momente. So war es häufig ein Zwiespalt, denn die besten Tauchziele lassen sich nur anfahren, wenn es möglichst wenig Wind und Welle hat. Aber dann muss das Schiff halt doch den Motor einsetzen, um zum Ziel zu gelangen. Aber wie sagt man so schön auf den Azoren: „wenn Dir das Wetter nicht gefällt, warte zwanzig Minuten“. Das macht es nicht immer leicht zu planen, versorgt aber zumindest die Fotografen ständig mit faszinierenden Stimmungen auf Grund des Licht- und Wolkenspieles.
Die Tauchplätze der Azoren sind geprägt durch die vielseitigen Unterwasserlandschaften, meist natürlich vulkanischen Ursprungs. Grotten, Spalten, Blöcke die durch- oder umtaucht werden können. Erwähnt sei hier nur die „Shrimp Cave“, deren lichtscheue Bewohner sich nur schwer fotografieren lassen. Oder die „Urseling Cave“, deren Lichtspiel ein bisschen an Mexikanische Cenoten erinnert. Natürlich fehlen farbenfrohe Korallen, wie man sie aus den Tropen kennt. Aber ein bisschen exotischer als im Mittelmeer geht es dann doch zu. Denn die kleinen Adlerrochen, die man gleich um die Ecke des Hafens von Horta findet, sind im Mittelmeer seltener anzutreffen. Aber nach dem „Hailight“ der Azoren muss man kräftig suchen. Wer sich vorher keine Gedanken darüber gemacht hat und dachte, Blauhaie würden auch so überall herum schwimmen, musste sich eines besseren belehren lassen. Blauhaie leben und jagen in größerer Tiefe, der Blauhai taucht bis 350m. Um ihn an der Oberfläche zu sehen, muss man ihn also anlocken. Was Paulo mit viel Mühe auch tat. Köder wurden ausgelegt (Thunfisch Köpfe) oder „Chum“ ins Wasser gegeben, eine Paste aus Fisch Resten (Köpfe, Schwänze, Blut und Knochen). Auch das Rollen einer leeren Plastikflasche auf der Boot-Unterseite soll helfen, die Tiere anzulocken. Paulo versuchte es alles, mit mäßigem Erfolg. Und als wir dann den Tauchgang an den Princess Alice Banks starteten, hatten wir eigentlich keine Hoffnung mehr, noch Blauhaie zu sehen. Doch Paulo versuchte auch hier sein Glück, zum ersten Mal. Und als bereits alle im Wasser und abgetaucht waren, war der Blauhai doch plötzlich da. Und sogar noch ein Zweiter, der sich hinter dem Schiff in der Strömung einfand, angelockt von den Fischködern. Selbst ein Manta gesellte sich dazu, und „flatterte“ seelenruhig in der Strömung vor meiner Kamera, in perfekter Aufnahmeposition. Denn als FotoPRO der Gruppe habe ich die Aufgabe, immer das Schlusslicht zu bilden und lasse den Anderen den Vortritt. Hier war es mal zu meinem Glück.
Man muss sich wohl leider eingestehen, dass das Überfischen der Haie selbst in den Azoren so weit fortgeschritten ist, das es wirklich eine Ausnahme ist, diese Tiere noch zu Gesicht zu bekommen! Umso glücklicher waren wir, diese Tiere doch noch erleben zu dürfen.
Ausserdem gab es an den Princess Alice Banks noch Mantas satt, welch eine Wohltat! Das Wetter ließ es zum Glück zu, dass die Saildive ihren Vorteil gegenüber anderen Schiffen ausspielen konnte und wir über Nacht am Riff der Princess Alice Banks bleiben konnten. Und so erlebten wir dort eine sternenklare Nacht, ankernd direkt am Riff.
Die Tauchgänge am Riff selber waren ebenfalls interessant, gab es dort doch einen riesigen, ortsansässigen Stachelrochen zu bewundern. Die Highlights spielten sich aber ganz klar im Blauwasser ab, wenn die Mantas ihre Kreise um das Riff bzw. das Boot zogen. Und je mehr der Tag sich seinem Ende neigte, desto dichter kamen sie an die Oberfläche, um bei Sonnenuntergang schließlich mit ihren Flossenspitzen die Wasseroberfläche zu durchbrechen. Wer jetzt noch schnorcheln ging, konnte ihnen besonders nah kommen. Alle anderen genossen den Sonnenuntergang mit einem Glas Wein und einem von Rita’s köstlichen Abendessen. Und die sternklare Nacht ließ endlich die Anspannung der letzten Tage abfallen, die angefüllt war nach der „Jagd“ nach Großfisch. Denn genau das war es, warum wir auf die Azoren gekommen waren. Die Rückfahrt nach Horta fühlte sich dann fast schon wie das Ende der Reise an, aber nein, da sollte noch was kommen! Jetzt konnten wir die kommenden Tauchgänge erst richtig genießen, ohne den Druck zu haben, noch die Blauhaie sehen zu „müssen“. Und so waren wir dann Feuer und Flamme, als uns Paulo anbot, statt weiterer Tauchgänge nach Pottwalen Ausschau zu halten. Dass mit diesen nicht getaucht werden durfte, war klar. Aber selbst diese Tiere vom Boot aus zu sehen, ist ein Erlebnis, und zwar eines, das gar nicht so leicht herbeizuführen ist. Denn im Gegensatz zu Buckelwalen sind Pottwale viel schwerer aufzufinden. Erstens tauchen sie viel länger und tiefer, bis zu 1000m, um nach ihrer bevorzugten Beute, Tintenfischen, zu jagen. Sie sind nach solchen langen Tauchgängen zwar auch länger an der Oberfläche, um zu atmen und ihr Blut wieder mit Sauerstoff anzureichern, aber trotzdem schwerer auszumachen. Denn ihr Blas ist nicht so hoch wie bei den Buckelwalen und zudem auch eher seitlich und nicht nach oben gerichtet. Auf jeden Fall eine gute Tarnung. Paulo fand für uns trotzdem zwei Gruppen, denen wir eine Weile folgen konnten. Hier half ihm sein gutes Netzwerk von Freunden und Kollegen, die sich gegenseitig über Sichtungen informieren. Selbst Delfine jagten an diesem Tag noch vor dem Boot entlang und sprangen vor der seichten Bugwelle der Saildive hin und her, in kristallklarem Wasser. Und so konnten wir an diesem Tag am Morgen tauchen, am Nachmittag Pottwale und Delfine sichten und fotografieren und am Abend noch eine beeindruckende Segeltour entlang der Küste von São Jorge genießen. Was will das Tauchabenteurerherz mehr? Und als wir dann vor São Jorge ankerten und den schrillen Lauten der Seevögel lauschten, konnte zumindest ich gar nicht einschlafen. Weniger wegen der Seevögel, als wegen der vielen schönen Eindrücke.
Und als dann am letzten Tag noch mehrere, große Gruppen an Delfinen in der Nähe der Saildive in wilder Jagd vorbeizogen, lachte unser Herz innerlich auf Grund so vieler schöner Erlebnisse.
Und so bleiben von den Azoren weniger die Eindrücke einzelner Tauchgänge, als vielmehr ein Gesamterlebnis aus Tauchen, großartigen Landschaften, wilden Segeltouren und unvergesslichen Eindrücken der Tierwelt allgemein. Denn diese begleitet einen überall und ständig, und seien es „nur“ die Seevögel, die das Boot umkreisen oder aufsteigen, wenn die Saildive sich ihnen nähert. Und so fiel der Abschied nach dieser unvergesslichen Woche schwer, zum Glück aber ist es auf die Azoren nicht weit, denn so wild wie sie auch sind, sie sind und bleiben Teil Europas. Und wenn der Wetterbericht jetzt wieder ein Azorenhoch ankündigt, denkt man plötzlich ganz anders darüber und wundert sich, warum es eigentlich so gar nichts über den wirklichen Charakter der Azoren aussagt, nämlich wild und schön zu sein!
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