Die Paiute-Shoshone Indianer
Date
1992
Category
menschen, reisenAbout This Project
Die Paiute-Shoshone Indianer aus Bishop pflegen die Traditionen ihrer Vorfahren. Niemand lebt zwar heute noch in einer Strohhütte, wie man sie baut oder wie man alte, traditionelle Werkzeuge herstellt wissen jedoch viele von Ihnen trotzdem noch. Und das Wichtigste: es wird auch das Gedankengut, die Ideale und die Naturverbundenheit an die nächste Generation weiter gegeben. Etwas, was den meisten Menschen heute abhanden gekommen ist: wenn ich etwas aus der Natur entnehme, muss ich auch etwas an sie zurück geben.
MYTHOS INDIANER
Leben der Paiute/Shoshones zwischen Tradition und Wirklichkeit
Indianer sind wieder in. Zumindestens bei uns. Ob sie uns verkuenden das man Geld nicht essen kann, oder fuer kreativ Projekte werben, ueberall sieht man ihre Botschaften, oder solche die sich als ihre ausgeben. Amerika uebt einen Einfluss auf Deutschland aus wie kein zweites Land in der Welt. Nicht nur politisch, sondern vor allem in der Vorgabe neuer Trends und Moden. Und was die Indianer betrifft, so haben wir schon als Kind eine Vorstellung von einem weiten Land in dem Winnetou tapfer gegen die Cowboys kaempft. Was ist an all diesem dran? Kennt Indianerherz wirklich keinen Schmerz? Oder tanzt man mit dem Wolf nur in Hollywood? Von diesem und anderem wollte ich mir selber ein Bild machen als ich 1992 das erste mal in die USA flog. Das wichtigste war: alle Vorurteile zu Hause lassen, um beim sammeln von Eindruecken nicht schon im vorhinein die beruehmten Schubladen geoeffnet zu halten. Vor allem was die Indianer betrifft, denn ich wollte Amerika und seine Ureinwohner so kennen lernen wie sie wirklich sind, und nicht nach dem Bild suchen das ein Piere Bryce in den Koepfen von Millionen von Kindern zeichnete. So war dann die erste Begegnung mit einem Indianer eher zufaellig und unerwartet und wurde dann doch so wichtig fuer meinen weiteren Aufenthalt. Es war in Bishop California, suedlich vom Mono Lake. Dort wo der Touristenstrom vom Yosemite Nationalpark in Richtung Death Valley durchzieht. Unbeachtet hingegen bleibt meist ein kleines Museum der Paiute/Shoshones. Noch unbeachteter bleibt, das dieses Museum auf einer Reservation liegt. Nur durch einen Zufall sah ich mir die wenigen Ausstellungsstuecke an und kam mit einem Man ins Gespraech, der, all meinen verdraengten Vorurteilen zum Trotz, aussah wie Winnetou persoenlich. Und wie sich herausstellte war er echt. Nicht echt Winnetou, sondern echt Paiute Indianer. Wir schlossen Freundschaft. Nicht am Lagerfeuer und mit Friedenspfeife, aber doch so, dass ich seinen Freunden auf der Reservation vorgestellt wurde. Dort musste ich nun zwar nicht meine Tapferkeit beweisen, aber eins doch: das mein Interesse an Ihnen ehrlich und nicht des Geldes wegen ist. Denn daran hat sich in den letzten 500 Jahren seit der Landung von Kolumbus bis heute nichts geaendert: die Indianer wurden und werden immer noch ausgebeutet. War es einst Ihr Land was der weisse Man von Ihnen wollte, Bodenschaetze, Gold, fuer das er mordete und sie erniedrigte, so ist dass, was heute geschieht, nicht weniger tragisch. Denn nach dem nun auch so ziemlich der letzte Indianer vom weissen Mann „zivilisiert“ und auf einer Reservation eingezwaengt wurde, Ihr Land verkauft und Ihre heiligen Berge vom Bergbau durchloechert sind, beginnt nun der Ausverkauf Ihrer kulturellen Gueter. Man kopiert ihre Zeremonien, ein Wochenende indianische Schwitzhuette fuer $ 500,-. Zelebriert von einem weissen „Medizinman“, den Namen hat er sich selbst gegeben. Doch in all den Jahren, in denen die Indianer hin und her gestossen wurden zwischen amerikanischer Assimilierungs und Praeservierungspolitik, haben sie eines gelernt: mit dem weissen System zurecht zu kommen. Zu erkennen was ihre eigenen Werte bedeuten, zu wissen, wo sie herkommen. Sie koennen inzwischen wieder sagen wer sie sind, ohne davor Angst haben zu muessen denunziert zu werden. Und sie machen Gebrauch davon, davon konnte ich mich auf der Reservation in Bishop ueberzeugen. Paiute – Shoshone Indian Culture Center steht an dem indianischen Museum in dem ich Raymond traf. Und wie ich bald merkte, ist das Museum nur ein kleiner Teil davon. Denn hier findet auch der Sprachunterricht in Paiute statt. Denn nur noch wenige der Elteren sprechen ihre alte indianische Sprache. Die Juengeren sind bereits in einer hauptsaechlich weissen Gesellschaft aufgewachsen, und muessen ihre Muttersprache nun wie eine Fremdsprache neu lernen. Und es ist paradox: das System des weissen Mannes, das diese Kultur fast gaenzlich vernichtete, hilft ihnen nun ihre eigene Sprache wieder zu erlernen. Denn die alte Paiute Frau, die die Sprachklasse leitet, stuetzt sich bei ihrem Unterricht auf alte Aufzeichnungen weisser Forscher und Siedler. Sie sagt: haette sie diese Aufzeichnungen nicht, waeren bereits viele Sprachnuancen verloren. Aber trotz alledem ist es schwer. Paiute Sprache kennt natuerlich viele unserer modernen Begriffe gar nicht. Daher duerfte es schwer sein sie wieder im taeglichen Leben zu integrieren. Aber darum geht es hier auch nicht. Das ihre alte Kultur nie wieder so sein kann wie frueher ist ihnen bewusst. Worum es geht, ist diese Kultur in den Herzen der Menschen zu bewahren, die Menschen wieder mit sich selbst einig werden zu lassen. Zu wissen wer man ist und wo man herkommt. Stolz darauf zu sein und sich nicht selbst zu verleugnen. Denn dies hatte die amerikanische Politik jahrelang bewirkt. Kaum ein Indianer traute sich seine Herkunft zuzugeben. Und wieder indianisch zu denken, dazu traegt auch die Sprache bei. Aber wirklich vollkommen gelingen kann dies natuerlich nicht. Denn es ist wie nach dem Suendenfall: ist das dunkle Wort erst einmal gelernt, ist es schwer wieder zu vergessen. Denn die indianische Sprache ist viel weicher, kennt viele unserer verletzenden Umgangsweisen gar nicht. Tage an denen das weisse Amerika nur eine untergeordnete Rolle spielt sind die Pow-wow’s, Indianische Feste mit Tanzwettbewerben. Doch es wird nicht nur getanzt. Handgame ist ein beliebtes Spiel auf diesen Festen. Zwei Parteien sitzen sich gegenueber. Sticks and bones sind das Zubehoer. Die bones sind zwei weisse Hoelzchen, das eine davon mit einem Streifen markiert. Einst waren sie aus Knochen. Sie werden in der Hand zu monotonen Gesaengen hin und her gerollt und schliesslich unter den Achseln versteckt. Mit den Gesaengen versucht man, die Gegenpartei einzuschlaefern. Denn diese muss raten wo welche der beiden bones ist. Angezeigt wird mit den Sticks, den Stoeckchen. Falsch geraten: Stoeckchen abgeben. Die bones wechseln die Mannschaft. Sieger ist, wer am Ende alle Stoeckchen besitzt. Auf den Pow-wow’s herrscht immer ein geschaeftiges Treiben. Art’s and craft’s werden zum Verkauf angeboten. Vom indianischen Schmuck ueber Pfeilspitzen und den aeusserst schmackhaften indianischen Tacos bis hin zu gewobenen Decken findet man einfach alles. Doch vor allem ist man hier, um Freunde zu treffen und zusammen zu tanzen. Und wer auf so einem Pow-wow zu den Trommeln einmal mit getanzt hat, der kann ihn fuehlen, den Herzschlag dieser Nation. Wenn dann noch ein Feuer brennt, sich alle bei den Haenden fassen und um dieses herum tanzen unter der naechtlichen Weite dieses Landes, dann fuehlt man das dies die Kultur ist die auf dieser Erde geboren wurde. Die schrillen, hohen Stimmen der Saenger und der dumpfe Schlag der Trommeln koennte nirgends sonst auf der Welt zu Hause sein. Und dies ist diesen Menschen wichtig. Das man ihre Kultur achtet. Sie ihnen zugesteht und nicht verkauft. Lauschen lassen sie uns gerne. Jeder der ein ehrliches Interesse hat an ihnen ist immer noch herzlich willkommen. Was sie jedoch nicht moegen sind die sog. „wan’bee’s“, die „Moechtegern“ Indianer. Weisse die sich kleiden und zu geben versuchen wie Indianer. Wir koennen voneinander lernen, aber nicht wie der andere werden, da jeder sein eigenes Volk und seine eigene Geschichte hat. Doch leider besinnen sich laengst noch nicht alle ihres eigenen Kulturgutes. Es scheint im modernen Amerika auch wenig Sinn zu machen eine Pfeilspitze zu bearbeiten, Koerbe zu flechten oder eine der alten Behausungen zu bauen. Denn das Steak gibt es im naechsten Supermarkt und im Eigenheim laeuft der Fernseher zur Unterhaltung, die wohl schlimmste Droge die man den Indianer seit dem Feuerwasser gab. Doch es ist schon so viel trauriges ueber Indianer, Alkohol und Drogen berichtet worden, das die meisten Menschen glauben das inzwischen wohl der letzte Indianer Alkoholiker sei, von Sozialhilfe lebe und auf seiner Reservation dahin vegetiere. Oder man vermutet das andere Extrem. Wildnis, Lagerfeuerromantik und Medizinmaenner. Das es auch einen Mittelweg gibt, wollen die meisten nicht glauben. Einen regulaeren Job, ein Auto, Familie und ein Eigenheim auf der Reservation. Zum Essen Steak oder Hamburger und am Wochenende wird auf einem Pow-wow nach alten Gesaengen um die Wette getanzt. Wer hat den schoensten Federschmuck, wer tanzt bei den Maennern am wildesten, wer ist bei den Frauen am sanftesten. Hier kommen die uralten Geschlechterrollen wieder zum Vorschein. Doch bei den Indianer machten sie Sinn. Die Aufgaben von Man und Frau waren klar abgesteckt. Jeder hatte seinen von der Natur gegebenen Faehigkeiten entsprechende Aufgaben. Und das harte Leben in selbiger lies gar keine Zeit zum Streit. Die Kinder wuchsen spielend in ihre Aufgaben hinein. Die Maedchen indem sie Nachbildungen von Mutters Kuechenwerkzeugen und Babytragekoerben als Spielzeug erhielten, die Jungen indem sie mit Pfeil und Bogen die Jagd imitierten. Und Kinder durften bei jedem Anlass dabei sein. Daran hat sich auch heute E nichts geaendert. Kinder sind bei den Indianern kein Anhaengsel, sondern werden mit dem Respekt eines Erwachsenen behandelt. Es gibt kein mach dies nicht, mach das nicht. Kein: dafuer bist du noch zu klein. Wenn die aelteren Handgame spielen, dann singen die kleinen mit. Oder schlafen beim monotonen Gesang ein. Wenn getanzt wird tanzen sie mit, ahmen die grossen Taenzer nach. So lernt man voneinander. Was hatte nun ich in dieser Welt zu suchen? Nur Zuschauer wollte ich nicht bleiben, dazu waren mir diese Menschen schon zu sehr ans Herz gewachsen. Die Gelegenheit kam eines Tages im Culture Center. Raymond sollte das Museum in einer anderen Stadt praesentieren. Das Museumsinventar mitnehmen kam nicht in Frage. Also Fotos, aber woher nehmen? Die Praesentation konnte nicht stattfinden. Ideal waere eine kleine Diaschau gewesen. Am besten mit den alten Kulturgegenstaenden, gezeigt in der Umgebung in der sie genutzt wurden. Doch das wuerde sehr viel Zeit und auch Geld erfordern. So versuchten wir gemeinsam ueber staatliche Foerdermittel die noetigen Finanzen zu erwirken. Projektoren muessten gekauft werden, UEberblendgeraete und vieles mehr beschafft werden. Die Mittel wurden nicht genehmigt. Die Enttaeuschung war gross. Also beschloss ich das Projekt auf eigene Faust in Angriff zu nehmen, denn natuerlich hatte ich auch ein Interesse an den Bildern. Meine Arbeitszeit, Kameras und Filmmaterial konnte ich selbst zur Verfuegung stellen. Die Projektoren muessten dann eben noch warten. Eine Videoabfilmung der Diaschau wuerde es fuer den Anfang auch tun. Doch unser Projekt sollte noch ein weiteres Ziel haben: den Kindern in der Schule als Anschauungsmaterial dienen. Ihnen zeigen, wie die alten Taenze getanzt wurden, wie man ein Toni als Behausung errichtet. Denn viele von ihnen kannten ihre Kultur nur noch aus Erzaehlungen. Denn die Kleidung und Taenze auf den Pow-wow’s sind ein Zusammenfluss vieler verschiedener Staemme. Die wirklich alte Kultur, die gepflegt wurde bevor der weisse Man erschien, kannten nur noch ganz wenige. Dies bedeutete auch fuer Raymond und mich, das wir viele Nachforschungen anstellen mussten, viele der aelteren befragen. Und selbst die mussten manchmal lange ueberlegen, kannten einiges nur noch aus Erzaehlungen und brachten schon vieles durcheinander in ihrem Gedaechtnis. Und dann kam das schwierigste: „Modelle“ fuer unsere Aufnahmen zu finden. Denn nicht jeder der noch ein altes Handwerk beherrschte sah auch so aus wie sein Vorfahre. Um es deutlich zu machen: die amerikanische Hamburger Kultur hatte so manchen Indianer seines edlen Ansehens beraubt. Aber schliesslich und endlich stimmte dann doch alles: die Menschen, die Aufnahmeorte, das Licht und die Stimmung. Denn dies war einer meiner Hintergedanken. Nicht nur die Indianer vor die Kamera zu bekommen, sondern sie dazu zu motivieren ihre Kultur weiter zu pflegen. Denn viele unserer „Modelle“ hatten noch nie in den alten Tanzkleidern getanzt, das Handgame weit draussen in der Natur gespielt. Und so wurde die Fotografie teilweise zu einer echten „Erlebnisfotografie“, ganz zu schweigen von all den Abenteuern die ich selbst waehrend dieser Zeit zu durchstehen hatte. Dies reichte vom selbst gefertigten Tanzkostuem, der Verleihung einer Adlerfeder ueber die vorgehaltene Pistole bis hin zum beinahe Klapperschlangenbiss. Was jedoch blieb, ist das Gefuehl, ein Klischee das ich mit mir herumtrug gruendlichst aus der Welt geraeumt zu haben. Zu wissen, dass Winnetou und der Tanz mit dem Wolf weiter ueber die Leinwand flimmern werden, ich sie aber mit anderen Augen sehen werde. Mit den Augen von jemandem, der weiss, das noch nicht alle Legenden gestorben sind.