Klettern in Norwegen
Date
1994
Category
kletternAbout This Project
Even Cowgirls get the blues
Erstbegehung am 500m hohen Granitdome des Haegefjell in Suednorwegen Man stelle sich vor, ein Granitdome mit den Ausmassen des Halfdomes aus dem Yosemite, weitgehend unbekannt und unerschlossen, nur 7 Auto – und 5 Faehrstunden von Hamburg entfernt. Die Rede ist vom Haegefjell in Suednorwegen. Bewaffnet mit 100 Bohrhaken, Felshaken in allen Laengen und Formen sowie Friends in den Abmessungen zwischen Kaffeloeffel und Amboss lassen wir uns an der unserem Haegefjell naechstgelegenen Steckdose nieder. Denn der Akkubohrhammer ist es, der Erstbegehungen von unten in den hoeheren Schwierigkeitsgraden erst moeglich macht.
Die von uns fuer einen Durchstieg gewaehlten kompackten Plattenzonen im linken Wandteil des Haegefjell bieten nur relativ wenig natuerliche Sicherungsmoeglichkeiten. Dann die ersten Klettermeter: noch koennen wir aufrecht die glattgeschliffenen Granitplatten hochlaufen. Doch die zweite Seillaenge entpuppt sich bereits als eine 8- Reibungsplatte mit Griffen der Groesse „Fingernagelkratzer“. Um welche Schwierigkeit es sich handelt wissen wir natuerlich vorher noch nicht.
Noch stehe ich am Beginn des ersten Steilaufschwunges und Frage mich, ob das Gummi meiner Reibungskletterschuhe auf diesen Steilen Platten ueberhaupt haelt und wo ich wohl den naechsten 2 cm breiten Absatz finden werde, auf dem ich mindestens 3 min. stehen kann, um die Bohrmaschiene hochzuziehen, zu Bohren und den Bohrhaken zu plazieren. Nach 4 m ueber dem letzten Bohrhaken finde ich meinen ersehnten Absatz.
Das war einfach, hoechstens 7 und mit dem nervenschonenden Absatz zum Bohren schon fast ein Genuss. Was mich jedoch jetzt anblickt, sieht nicht gerade nach Genuss aus. In etwa 10-12 m scheint sich die naechste Moeglichkeit zum Sichern zu bieten, eine Schuppe die vieleicht einen Friend akzeptiert. Kleinste Dellen und Kaentchen bringen mich hoeher, 8m sind meine Fuesse bereits ueber dem letzten Bohrhaken. Ich fange an zu zittern. Und da rutschen auch schon die Fuesse. Nur nicht zittern! Das macht alles schlimmer! Ich kann mich wieder beruhigen. Nicht an einen Sturz denken, denn der koennte jetzt fatal sein. Endlich ein Kaentchen, seitlich belastbar. Zwei entschlossene Zuege bringen mich in eine stabilere Position. Und da ist auch schon die Schuppe. Ein Microfriend beruhigt die Nerven. Einige Meter, noch ein Bohrhaken und ich kann auf einem kleinen Baendchen den naechsten Stand einrichten. Die naechsten Zwei Seillaengen sind purer Genuss. Eine Plattenseillaenge und eine traumhafte Verschneidung, die sich wie von selbst mit Friends absichert.
Dann sind die Akkus der Bohrmaschiene fast leer und wir seilen ab, nicht ohne noch einen Bohrhaken zur Entschaerfung der 8- Seillaenge zu bohren. Diesen Runout will man niemandem zumuten. Beim naechsten Anlauf fliegen wir die bereits eingebohrten Seillaengen hinauf, gut abgesichert ist einfach alles ein Genuss. Dann der Dachguertel. Zwei Bohrhaken bringen uns erst einmal technisch in die grosse Dachverschneidung. Wir hoffen, es hinterher freiklettern zu koennen. Die Dachverschneidung ist leichter als erwartet, 7- wirft der Schwierigkeitsmesser aus. Atemberaubend ausgesetzt. Die naechste Plattenseillaenge fuehrt mich in die Irre. Ein Verhauer ist die Folge, zwei Bohrhaken verschwendet bis ich den richtigen Durchstieg gefunden habe.
Wieder Akkus alle. Abseilen. Huuuh! Und zwar 30m frei haengend ueber den grossen Dachguertel. Welch ein Kribbeln im Bauch. Der naechste Versuch muss jetzt endlich den Durchstieg bringen. Wir sparen mit Bohrhaken wo wir nur koennen, um bis zum Gipfel zu kommen. Dann die Schluesselseillaenge. Eine steile, kompackte Verschneidung. Ich muss an einer winzigen Leiste mit einem Cliffhaenger haengend einen Bohrhaken setzen. Die Leiste nur nicht zu stark belasten, damit sie nicht bricht.Ein Sturz mit der Bohrmaschiene koennte schmerzhaft werden. Endlich, der Bohrhaken sitzt. Noch einige schwere Zuege, und der Fels neigt sich zurueck. Bei der Rotpunktbegehung der Seillaenge entpuppt sie sich als solide 8+. Drei leichte Seillaengen bringen uns dann endlich zum Gipfel.
Zwoelf Seillaengen Traumgranit. Even Cowgirls get the blues.
Der naechste Tag sieht uns bei einer gemuetlichen Wanderung, um noch einmal vom Gipfel des Haegefjell ueber die Route abzuseilen. Wiederholer sollen unsere Todesaengste nicht ausstehen muessen. Deshalb setzen wir diverse zusaetzliche Bohrhaken. Die eigentliche Rotpunktbegehung der Route ist dann ein Genuss. Bis auf die freie Variante, die wir durch den Dachguertel legen.
Die zuvor A0 gekletterten zwei Bohrhaken entpuppen sich als extrem harte Boulderstelle, mindestens 9. So suchen wir uns eine nach rechts fuehrende Umgehungsvariante. Ein Quergang unterm Dach, mit Friends abgesichert, bringt uns zu einem grossen Rissdach. 7- bis dort. Leider sind die Schueppchen, auf denen ich stehe, nicht sehr solide. Das Dach sieht schwer und stellenweise etwas bruechig aus. So setze ich trotz Riss einen Bohrhaken. Einige Zuege im Riss, klemmen, Untergriff, und ich stehe ueber dem ersten UEberhang. Zwei sehr fragwuerdige Friends lassen mich ins schwitzen kommen, die Muskeln in den Armen laufen zu. Alles, was ich jetzt anfasse scheint mir entgegenkommen zu wollen. Mir bleibt keine Wahl, als es zu versuchen. Vorsichtig lasse ich meinen Koerper am linken Arm nach aussen pendeln. Schnell ausspreizen und das Gewicht wieder auf die Fuesse bringen. Die rechte Hand auf Reibung aufgelegt, und ich stehe ueber dem Dach.
Ein Schrei der Erleichterung. Das war mindestens 8. Auch die Schluesselseillaenge geht Heute im ersten Versuch. Jetzt sind die Cowgirls „gerotpunktet“. Ein grosser Wunsch geht in Erfuellung, einmal eine eigene Linie durch eine grosse Wand gelegt zu haben, in einem Schwierigkeitsgrad, der einen sonst auch im Klettergarten fordern wuerde. Let’s get the blues!
Kletterfuehrer Goetz Wiechmann / Suednorwegen / Felsen Nr. 19
Haegefjell
„Even cowgirls get the blues“
M.Weck und M. Robinson am 29. + 31. 07.1994
Vorhandenes Material: 14 Stand Bohrhaken, 24 Zwischen Bohrhaken, 2 Zwischen Normalhaken.
Mitzunehmendes Material: Stopper 1-6, Friend 0-4
Schwierigkeitsgrad: 8+ oder 7+/A0
Kletterlaenge: 490m
Kleterzeit: 4-7 Stunden
Route durch den auffallenden, grossen Dachguertel zwischen „Misery“ und „Haegar“. Durch den Dachguertel wurden zwei Varianten gefunden. Die rechte ist frei kleterbar, jedoch etwas bruechig. Die linke wurde bisher nur technisch geklettert, ist dafuer aber fest. Frei geklettert duerfte es sich ca. um einen 9ner Boulder handeln. Versuche wurden gemacht, aber auf Grund von Zeitmangel kam es nicht zu einer Rotpunktbegehung dieser Seillaenge.
Die gesamte Route ist hervorragend durch Bohrhaken abgesichert. Nach der Begehung wurden allein 8 Zwischenbohrhaken (gekennzeichnet durch ein rotes x) nachtraeglich zur „Entschaerfung“ diverser Passagen gesetzt. Wo jedoch moeglich, muessen natuerliche Sicherungspunkte genutzt werden. Einzig und allein in der 6. ten Seillaenge der rechten Dachvariante wurde ein Bohrhaken gesetzt, da im Falle eines Sturzes ein Friend evtl. die Schuppe sprengen koennte, durch die der Riss zieht. Die Schluesselseillaengen sind mit Bohrhaken so hervorragend abgesichert, das sie auch A0 geklettert werden koennen, so dass auch ein 7ner Kletterer an dieser Tour in allerbestem Fels und imposanter Ausgesetztheit gefallen finden kann. Alle Standplaetze sind mit einem Bohrhaken und einem kleinem Abseilkarabiener versehen (Abseilpiste, 2 Seile 50m).